Die Nacht der Physiker - Heisenberg Hahn Weizsaecker und die deutsche Bombe by Richard von Schirach

Die Nacht der Physiker - Heisenberg Hahn Weizsaecker und die deutsche Bombe by Richard von Schirach

Autor:Richard von Schirach
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Berenberg Verlag GmbH
veröffentlicht: 2015-09-15T00:00:00+00:00


Visionen und Niederlagen

Marmelade kochen

Fast müßiggängerisch wirkt gegenüber dieser von Siegeszuversicht getragenen Aufbruchsstimmung, was Heisenberg in den letzten drei Kriegsjahren aus Berlin oder Hechingen an seine »liebe Li« nach Urfeld schreibt. Wenn er im Institutsgarten Obstbäume aberntet, einkocht und zu Marmelade für die Familie verarbeitet, steht dahinter die schiere Not. Es geht um die Versorgung seiner Frau Elisabeth, die mit fünf kleinen Kindern in Urfeld am Walchensee sitzt und nicht weiß, wie sie das tägliche Überleben bewerkstelligen soll. Und es wird täglich mühseliger. Die Erfolgsmeldungen lauten nun »Hier geht es nach wie vor unwahrscheinlich gut; gestern hab’ ich mit dreistündigem Kampf noch einen Zentner Äpfel in Boll erstanden.« Schon im Mai 1943 hatte er gebeten: »Du musst mir nur schreiben, was ich einmachen soll u. wie. Das rein technische kann mir ja auch Mutti zeigen. Insbesondere müsstest du wohl Gefässe – Flaschen und Gläser – dazu schicken.«

Jetzt aber, im letzten Kriegsjahr, sind selbst die einfachsten Dinge beschwerlich geworden. Ein Paket mit Obst nach Urfeld zu schicken, kann Stunden dauern. »Man muss sich vor acht Uhr an der Bahnpost anstellen, dann eine Stunde stehen, und riskiert schließlich, dass das Kontingent schon ausgeschöpft ist. Dass alles Verschicken von Obst aus Württemberg verboten ist, schrieb ich dir wohl schon«.

Allerorten ist der Mangel mit Händen zu greifen. Heisenberg fällt auf, wie dünn alle Menschen um ihn herum werden. Während in Hanford die Plutoniumerzeugung auf Hochtouren läuft, geht es in Deutschland um Eierkarten, ausfallende oder beschossene Züge und Volkssturmdienst. Nur selten noch kann er aus Hechingen über glückliche Stunden schreiben: » Man sitzt abends bei der Musik zusammen, spricht von guten Büchern. – und der Krieg scheint nur noch ein böser Traum«. Auch seiner Frau wird es inmitten der schlimmen Holz- und Kohleprobleme in Urfeld »unbeschreiblich wehmütig«, als sie im Radio das B-Dur-Trio von Schubert hört und sich an den musizierenden Heisenberg und die Zeit erinnert, als man die »warme, nach guten Dingen duftende Luft atmete und glücklich und aus dem Vollen lebte.«

Auch die Nachrichten aus dem Freundes- und Kollegenkreis sind wenig tröstlich; eine Karte des großen Physikers und »Quantenmechanikers« Friedrich Hund teilt lapidar mit, dass nun dessen Theoretisch-physikalisches Institut durch eine Sprengbombe vernichtet worden sei, es wird berichtet, dass die Frau des Abteilungsleiters Professor Wirtz einen Sack mit Möhren bereit hat, ihn aber nicht abschicken darf, es wird überlegt, wie ein Hobel beschafft werden kann, und es geht ums Pilzesuchen, Sorgen wegen der Handwerker, Kohlen, Brennholz und die Milchversorgung der Kinder, Reisesperren und kleinlichste Überlegungen, wie zum Beispiel, ob sich das Verbot, Fahrräder mehr als 100 km zu transportieren, durch die Verpackung in Kisten oder die Aufteilung in kleinere Etappen unterlaufen ließe.

»Schreib nochmal nach Osnabrück wegen der Kartoffeln u. Möhren«, wird Elisabeth aufgefordert, die sich nicht unterkriegen lässt und freudig die neueste Urfelder Errungenschaft bekannt gibt: »Wir machen jetzt hier Hefe selbst. Es geht prima«. Aber wie aussichtslos die Lage in Hechingen ist, verrät der Satz: »Die Institute können (…) nicht mehr geheizt werden. Gleichzeitig ist der Strom für alle Betriebe gesperrt; seit zehn Tagen arbeitet in ganz Württemberg keine Fabrik mehr«.



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